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Erlitt einen Herzstillstand mit konsekutiver Multiorganinsuffizienz

Fabian, damals 5 1/2 Jahre alt, litt an einer vorher nicht erkannten ektopen atrialen Tachykardie, die sich zudem als resistent gegen die verfügbaren Medikamente erwies und erlitt einen Herzstillstand mit konsekutiver Multiorganinsuffizienz. Durch eine Katheterablation konnte das zweite Impulszentrum im Herzen schließlich ausgeschaltet werden und nach einer relativ kurzen Erholungsphase erfreut sich mein Sohn heute wieder bester Gesundheit. Hinter diesen knappen Worten verstecken sich Tage, bzw. Wochen, in denen man die schlimmsten Ängste durchlebt hat, die man sich als Elternteil vorstellen kann, in denen man das Gefühl hatte, sich in einem permanenten Albtraum zu bewegen, in denen sein Kind einen unbekannten, weil nicht artikulierbaren Kampf um sein Leben geführt hat.Bis zu jenem 27. April des letzten Jahres wurde ich von meinen ArbeitskollegInnen immer wieder darum beneidet, dass mein Kind so selten krank sei. Im Frühjahr hatte Fabian immer wieder darüber geklagt, dass er beim Turnen schlecht Luft bekommen hatte, über Hals- oder Ohrenschmerzen. Immer waren aber auch Erkältungen mit im Spiel und zwei Arztbesuche verliefen ergebnislos.

An jenem bewussten Tag suchte ich die Kinderärztin auf, in der Annahme, Fabian hätte sich eine Infektionskrankheit eingehandelt, da er am Vorabend und am Morgen extrem matt und blass war, hustete, etc. Die Kinderärztin rief sofort nach dem Abhören die Rettung zur Einweisung an die Kinderkardiologie ins LKH Graz an, meinte aber, Tachykardien wie die seinen kämen öfter vor und wären gut zu behandeln. Auch im Krankenhaus zeigte man sich zuerst nicht sehr besorgt, jedoch ließ sich die extrem hohe Herzfrequenz mit den gängigen Mitteln und auch mittels Defibrillator nicht brechen. Am Nachmittag schien sich nach der Verabreichung eines Medikaments der Zustand wieder zu bessern. Zu diesem Zeitpunkt befanden wir uns bereits (ich mit wachsender Panik) auf der Intensivstation der Kinderklinik.

Da sich Fabian im zentralen Überwachungszimmer befand, war für Eltern keine Übernachtungsmöglichkeit gegeben. Als ich am nächsten Morgen die Station wieder betrat, kam mir das Stationspersonal mit betroffenen Blicken entgegen. Im Zimmer lag mein Kind, das ich am Vorabend in relativ munterem Zustand verlassen hatte intubiert und an unzählige Schläuche und Kabel angeschlossen.

Man teilte mir mit, dass Fabian in der vergangenen Nacht einen Herzstillstand erlitten hätte und dass sein Zustand so bedenklich sei, dass mit dem Schlimmsten zu rechnen sei. Die linke Herzkammer war durch die dauernde Überbelastung extrem ausgedehnt und kaum mehr leistungsfähig, von seinem Allgemeinzustand ganz zu schweigen.

Die nächsten Tage waren eine permanente Gratwanderung, in Abstimmung mit den Rhythmusexperten des Deutschen Herzzentrums in München wurden alle in solchen Fällen verfügbaren Medikationen eingesetzt, jedoch ergebnislos. Die Herzfrequenz blieb nahezu gleich bleibend hoch, es gab keine wirkliche Verbesserung des kritischen Zustandes. Wiederholt (sofern eine Steigerung möglich ist) kam es zu noch lebensbedrohlicheren Situationen.

Am Montag der darauf folgenden Woche sah man als letzte Rettungsmöglichkeit eine Überstellung ins Deutsche Herzzentrum nach München, wo sowohl Einrichtungen als auch Experten verfügbar sind, die Katheterablationen an Kindern durchführen. Der in seinem so schlechten Zustand überaus gefährliche Transport verlief gut; am Mittwoch wurde der Eingriff erfolgreich durchgeführt. Bereits am Freitag wurde die künstliche Beatmung entfernt.

 

Der darauf folgende Sonntag war Muttertag, und mein Kind, das fast zwei Wochen lang beinahe leblos dagelegen hatte, lächelte mir entgegen. Nachdem sich die Herzfrequenz in einem normalen Bereich befand, besserte sich Fabians Zustand enorm schnell. Mitte der nächsten Woche wurden wir bereits wieder nach Graz zurück überstellt, wo wir nach weiteren eineinhalb Wochen das Krankenhaus verlassen konnten. Mitte August hatte sich die Herzfunktion soweit normalisiert und erholt, dass auch die unterstützenden Medikamente abgesetzt werden konnten.

Wir gehen zwar noch regelmäßig zu Kontrollen, um auszuschließen, dass doch noch weitere Tachykardien auftreten, aber wie es scheint, haben wir alles gut überstanden. Fabian ist heute wieder ganz der Alte, ein fröhliches Kind mit viel Energie und enormem Bewegungsdrang.

 

Für die meisten, die jene kritischen Tage miterlebt haben grenzt dies an ein Wunder – es zeigt aber auch, dass diese Wunder möglich sind – Dank des Entwicklungsstandes der heutigen Medizin, Dank kompetenter Ärzte, die die richtigen Entscheidungen getroffen und die richtigen Kontakte geknüpft haben, Dank der Tatsache, dass Kinder über enormen Lebenswillen und ebensolche Regenerationsfähigkeit verfügen und Dank einer ungeheuer großen Portion an Glück – so viele Rädchen haben zusammengespielt, dass Fabians Leben gerettet werden konnte und auch keine Folgeschäden zurückgeblieben sind.Niemand, der je wirklich um das Leben seines Kindes bangen musste kennt die gnadenlose Angst, von der man noch vor dem wirklichen Erwachen nach ein paar wenigen gnädigen Stunden Schlaf ergriffen wird, bevor man zum Telefonhörer greift, wie sein Kind die Nacht überstanden hat, die Angst auf dem Weg ins Krankenhaus, die Angst bei jeder Rückkehr ins Krankenzimmer, die Panikattacken, wenn irgendwo auf der Station der Alarm eines Überwachungsgeräts losgeht, während man nicht im Raum ist, das stundenlange Verfolgen der Kurven und Piepstöne der Monitore.

Man bewegt sich in einem permanenten Ausnahmezustand, in dem sich seine Hoffnung an jedes noch so winzige Hälmchen klammert und selbst das Minenspiel der Ärzte und Schwestern schon zur Botschaft wird. Wenn dann endlich Besserung eintritt, beginnt aber erst die Zeit, in der man wirklich gefordert wird, weil man seinem Kind aktiv beistehen muss und seine permanente Anwesenheit und Kraft gefordert wird.

Viele Ängste und auch die Verunsicherung des Kindes, die mit der anfänglichen körperlichen Schwäche einhergeht müssen abgebaut und überwunden werden. Nachdem wir das Krankenhaus verlassen hatten, habe ich versucht, Fabian so bald wie möglich (aber auch ohne zu drängen) wieder in den „normalen“ Alltag überzuführen. Ich weiß nicht, ob dies allgemein so ist, bei Fabian habe ich jedenfalls festgestellt, dass er selbst sehr gut wusste, wo seine Grenzen lagen, wie weit man bei Bewegung und Aussenkontakten gehen konnte, so dass ich eigentlich dem folgen konnte, was er selbst wollte. Die erste Zeit litt Fabian auch unter großer Angst vor unbekannten Geräuschen im Dunklen, die wohl aus seiner „nicht bewussten“ Zeit im Krankenhaus herrührte.

Mit zunehmender Besserung seines Allgemeinzustandes sind diese jedoch recht rasch verschwunden. Kinder, die krank werden, machen sich auch im Kindergartenalter schon Sorgen darüber, wie viel sie in ihrer Abwesenheit versäumt haben, was die anderen Kinder in der Zwischenzeit vermeintlich gelernt haben. So war es bei uns auch wichtig, noch vor der Sommerpause wieder in Kontakt mit dem Kindergarten zu kommen, wo sich diese Ängste rasch zerstreut haben. Das Erstaunlichste für mich ist, dass mein Kind nach allem, was er durchgemacht hat, auch heute noch gern zu Kontrollen geht und keinerlei Ängste gegenüber dem Krankenhaus entwickelt hat.Es ist schwer, bei so einem Bericht Anfang und Ende zu finden, zu viel geht einem durch den Kopf, denkt man zurück, zu viel hat man in sehr kurzer Zeit erlebt. Immer wieder drängt sich auch die Frage auf, ob man die Geschehnisse verhindern hätte können – aber das führt zu nichts.

 

Was ich weitergeben kann, ist, dass man in kritischen Situationen die Hoffnung nicht verlieren und einfach nicht aufgeben darf. Dass man den Rat befolgen soll, trotz allem auch auf sich selbst zu schauen, um seine Kräfte so weit wie möglich zu bewahren – wenigstens ein paar Stunden zu schlafen und zu versuchen, Auszeiten einzuschieben, in denen man etwas Abstand zum Geschehen gewinnt, in denen man die Vorgänge auch für sich selbst zumindest ansatzweise aufarbeiten kann. Wenn man am Ende seiner Kräfte ist, kann man auch seinem Kind nicht helfen. Aus heutiger Sicht ist mein Rückblick auf diese Zeit sehr positiv. Wir wurden mit enormem Einsatz betreut und ich habe in dieser Zeit die Bekanntschaft einiger großartiger Menschen gemacht. Ich hatte auch das Glück, sehr viel Unterstützung und Anteilnahme in meiner Umgebung zu erfahren, durch Familie, Freunde und Arbeitgeber.

 

Man wird sich aber auch der Tatsache bewusst, dass man nicht alles selbst in der Hand hat, dass sein Lebensgefüge eine sehr zerbrechliche Sache ist, dass die Selbstverständlichkeiten und Wichtigkeiten des täglichen Lebens sehr relativ und – dass auch Wunder möglich sind.

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